Cristina Vezzaros Blog für Autoren und Übersetzer

Wie viele LiteraturübersetzerInnen hatte auch die Italienerin Cristina Vezzaro genug davon, in Rezensionen der von ihr übersetzten Bücher kaum erwähnt zu werden. Also beschloss sie, auf eigene Faust etwas gegen die traditionelle Unsichtbarkeit ihres Berufsstandes zu unternehmen. Zuerst konzipierte sie einen Fragebogen für AutorInnen, um herauszufinden, welche Bedeutung die Übertragung ihrer Werke in andere Sprachen für sie hat und welchen Wert sie der Arbeit ihrer ÜbersetzerInnen beimessen. Im März 2013 startete sie schließlich ihr Blog for Authors & Translators. Seither hat sich dieses beispielhafte Projekt zu einem lebendigen Forum des gegenseitigen Austausches entwickelt, das bereits von namhaften AutorInnen unterstützt wird.

Unsichtbare sichtbar machen

Siri Hustvedt zum Beispiel beantwortet die Frage „Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an den Beruf des Literaturübersetzers denken?“ so: „Da ich selbst übersetzt habe, bin ich mir der Tatsache vollauf bewusst, dass der Übersetzer das Werk in seiner Sprache neu erfinden muss. (…) Ich hege große Bewunderung für diesen Beruf. Viele Bücher, die ich gelesen habe, wären mir ohne ihre Übersetzung ins Englische gar nicht zugänglich gewesen. Ohne Übersetzungen wäre meine literarische Existenz um vieles ärmer. Ich hätte ein ganz anderes Bewusstsein entwickelt. (…)“ Davide Longo sinniert: „Literarisches Übersetzen impliziert Neugier auf verschiedene Welten und Länder, die Bereitschaft, Nachforschungen anzustellen, geistige Flexibilität und die Fähigkeit, mit dem Stil und so auch mit der Sprache und der Person des Autors in Kontakt zu treten.“ Robert Menasse meint: „Ich habe aus dem brasilianischen Portugiesisch übersetzt – und ich habe dabei gelernt, wie unglaublich schwierig und anspruchsvoll diese Arbeit ist. Man kommt in Tiefenstrukturen eines Texts, in die man als ’normaler Leser‘ nie eindringt. Und man kommt immer wieder in die Situation, Entscheidungen treffen zu müssen, die oftmals – glaube ich – schwieriger sind als die Entscheidungen, die der Autor selbst treffen musste. Ich habe größte Hochachtung vor der Arbeit seriöser Übersetzer, und meiner Erfahrung nach und meines Wissens ist diese Arbeit viel zu schlecht bezahlt und anerkannt. Ich schlage daher immer vor, dass der Übersetzer nicht nur sein meist geringes Pauschalhonorar bekommt, sondern auch die Hälfte meiner Tantiemen pro verkauftem Buch.“ Catherine Dunne weiß zu berichten: „In Dublin gibt es den ‚Impac Award‘, einen Literaturpreis, der AutorInnen und ÜbersetzerInnen gleichermaßen würdigt. Das Prinzip besteht darin, das Preisgeld auf AutorIn UND ÜbersetzerIn aufzuteilen – beide sind also Preisträger. Eine beispielhafte Auszeichnung, die hoffentlich Nachahmung findet.“

Zur Frage „Fällt es Ihnen schwer, Ihre literarischen Geschöpfe einem Übersetzer anzuvertrauen oder haben Sie blindes Vertrauen in ihn?“ offenbart Fouad Laroui: „Beides. Einerseits vertraue ich ihm voll und ganz, andererseits frage ich mich, ob ihm alle sprachlichen und kulturellen Konnotationen bewusst sind. Als Schriftsteller bewege ich mich zwischen mehreren Sprachen und zwischen mindestens zwei Kulturen. Es ist nicht einfach, dies hinter Worten oder Ausdrücken zu sehen, die auf den ersten Blick der französischen Sprache angehören.“ Altaf Tyrewala erklärt: „Natürlich vertraue ich ihm. Oft ist es der Verleger, der den Übersetzer aussucht.“ Sibylle Lewitscharoff bekennt: „Ich empfinde es als eine Ehre, wenn ein Buch von mir in eine fremde Sprache übersetzt wird. Die meisten Sprachen kann ich ohnehin nicht kontrollieren. Da nützt Misstrauen oder gar Dreinreden überhaupt nichts. Außerdem hänge ich dem Prinzip an, dass sich ein Übersetzer große Freiheiten nehmen darf und soll. Der Text soll ja in seiner Sprache gut funktionieren und vor allem: gut klingen.“

Vezzaros Blog for Authors & Translators liefert beeindruckende Zeugnisse für den großen Respekt, den international veröffentlichte AutorInnen für ihre ÜbersetzerInnen und deren Arbeit haben. Viele freuen sich, wenn sie von ihren ÜbersetzerInnen kontaktiert werden; sie sind gern bereit, ihre Fragen zu beantworten und nicht selten erwachsen aus dieser Zusammenarbeit sogar freundschaftliche Beziehungen. Benjamin Stein begründet dies so: „Übersetzungen sind mir sehr wichtig. Als Autor ist man gewissermaßen eingesperrt in die eigene Sprache. Nur durch Übersetzungen kommt man nach draußen, zu Lesern in anderen Ländern, mit anderer Geschichte, anderen Prioritäten im Leben und Lesen. Daher versuche ich, meine Übersetzer kennenzulernen und mit ihnen über mein Verständnis von Literatur, meine Art der Gestaltung von Geschichten und von Sprache zu sprechen, bevor sie mit dem Übersetzen beginnen. Spätestens jedoch, wenn die Bücher da sind, möchte ich auch die Übersetzer persönlich kennenlernen. Ohne sie würde es das Buch in der anderen Sprache nicht geben. Sie sind auf eine etwas andere Art, doch nicht weniger Künstler als der Autor selbst. Bisher waren diese Begegnungen auch immer persönlich sehr bereichernd. Wirklich überraschend ist das für mich nicht. Wenn jemand so viel Empathie und Kunstverstand mitbringt, hat man, denke ich, automatisch eine gemeinsame Ebene – künstlerisch und menschlich.“

Ein Blog zum Mitmachen

Vezzaros Blog for Authors & Translators ist bewusst mehrsprachig angelegt. Der Erfolg des Projekts basiert auf aktiver Teilhabe: Schreibende aller Länder, Sprachen und Genres sind eingeladen, mitzumachen und so dazu beizutragen, Wahrnehmung und Wertschätzung der Arbeit von ÜbersetzerInnen und generell von all jenen, die sich dem literarischen Schreiben widmen, in der Öffentlichkeit zu steigern. Dazu stellt Vezarro im Blog-Bereich Interview zwei Fragebögen – einen für Autoren und einen für Übersetzer – in verschiedenen Sprachen bereit und natürlich auch eine E-Mail-Adresse, an die ausgefüllte Fragebögen zwecks Veröffentlichung geschickt werden können.