Heute, am internationalen Frauentag, möchte ich zwei Bücher vorstellen, die ich aktuell übersetze. Beide thematisieren die Entwicklung der Frauenbewegung und Gleichberechtigung.
In ihrem Roman The Woman in the Photograph, dessen deutschsprachige Augabe voraussichtlich im kommenden Herbst erscheinen wird, spannt die englische Autorin Stephanie Butland einen faszinierenden Bogen von der zweiten Welle des Feminismus der 1970er bis zur dritten Welle der Gegenwart, einschließlich Me-Too- und anderen Bewegungen. Ihr Buch macht nicht nur bewusst, dass die Gleichberechtigung auch 2020 noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, sondern dass zudem vieles, was die Frauenbewegung in der Vergangenheit schon erreichen konnte, verlorenzugehen droht, wenn wir uns nicht weiter stark und engagiert dafür einsetzen.
Erst vorgestern stellte UN-Generalsekretär Antonio Guterres in seiner zum heutigen Weltfrauentag veröffentlichten Erklärung fest, dass Frauenrechte in den vergangenen Jahrzehnten zwar bedeutende Fortschritte gemacht hätten – etwa durch die Abschaffung diskriminierender Gesetze -, wies jedoch gleichzeitig auf herbe Rückschläge hin: „In einigen Ländern wird der rechtliche Schutz vor Vergewaltigung und häuslicher Gewalt aufgeweicht; die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen sind bedroht.“
Das erzählende Sachbuch Figuring stammt aus der Feder der gebürtigen Bulgarin und seit vielen Jahren in den USA lebenden Maria Popova. Die deutsche Übersetzung von Stefanie Schäfer, Tobias Rothenbücher und mir soll Ende Oktober erscheinen. In ihrem Buch, das auf Beiträgen ihres bekannten Blogs Brainpickings basiert, zeigt Popova unter anderem auf, wie sich verschiedene bedeutende Künstler*innen, Schriftsteller*innen und Wissenschaftler*innen des 19. und 20. Jahrhunderts gegenseitig beeinflusst haben. Bei den von mir übersetzten Kapiteln stehen starke Frauen wie Maria Mitchell, Émilie du Châtelet, Mary Somerville, Ada Lovelace, Elizabeth Barret-Browning, Margaret Fuller und Rachel Carson im Mittelpunkt. All diese Frauen verbindet die Tatsache, dass sie Pionierinnen waren, die sich kühn und beharrlich den herrschenden gesellschaftlichen Gegebenheiten und Vorstellungen widersetzten, um ihren eigenen Weg zu gehen und für Selbstverwirklichung und Gleichberechtigung zu kämpfen.
Zum heutigen Weltfrauentag forderte UN-Generalsekretär Antonio Guterres eine umfassende Gleichstellung von Frauen: „Das 21. Jahrhundert muss das Jahrhundert der Gleichstellung von Frauen sein. Es ist an der Zeit, mit dem Versuch aufzuhören, Frauen zu verändern, und damit zu beginnen, die Systeme zu verändern, die sie daran hindern, ihr Potential zu entfalten.“ Guterres kritisierte, dass weltweit auf drei männliche Abgeordnete in den Parlamenten nur eine Frau kommt und zugleich den Männerüberschuss im technischen Sektor, an Universitäten und in Start-ups. Guterres beschrieb die „Ungleichheit der Geschlechter“ als „die überwältigende Ungerechtigkeit unserer Zeit und die größte Herausforderung für die Menschenrechte“. Frauen würden „täglich mit Sexismus und männlicher Besserwisserei konfrontiert und als Opfer dafür auch noch verantwortlich gemacht“, beklagte der UN-Generalsekretär.
Figuring von Maria Popova führt uns vor Augen, wie Margaret Fuller, Maria Mitchell, Rachel Carson und unzählige andere Frauen solche Probleme und Hürden erlebten, welche Möglichkeiten ihnen damals überhaupt offenstanden, und spannt zugleich einen Bogen von der ersten Welle der Frauenbewegung bis hin zur Gegenwart.
Inzwischen sind wir im 21. Jahrhundert angelangt, und zumindest in der westlichen Welt sind viele Dinge, von denen Frauen im 19. Jahrhundert nur träumen konnten, selbstverständlich geworden: Sie sind zumindest dem Gesetz nach gleichberechtigt, dürfen wählen gehen, haben Zugang zu Bildung, brauchen nicht mehr die Erlaubnis ihres Mannes oder Vaters, um arbeiten zu gehen, können sich gegen die Ehe und für ein unabhängiges Leben entscheiden, ohne dafür geächtet zu werden. Dennoch gibt es nach wie vor zahlreiche Länder, in denen diese Dinge noch immer nicht möglich sind. Und auch in unserer westlichen Gesellschaft müssen Frauen weiterhin um Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung und Respekt kämpfen.
Zum heutigen Weltfrauentag wünsche ich allen Frauen viel Selbstsicherheit, Mut und Kraft. Und speziell meinen Kolleginnen, den Literaturübersetzerinnen, wünsche ich, dass sie bei Verlagen für ihre Rechte kämpfen und ein angemessenes Hononor inklusive angemessener Beteiligung durchsetzen.